Heilungsprozesse annehmen oder Opfer sein / Opfer bleiben

Ich habe mich auf die Suche gemacht - eine rastlose Suche nach Antworten ... nach Liebe, Anerkennung, Selbstbewusstsein, Hoffnung und Heilung. Wenn ich über die Folgen des Missbrauchs und meine damit zusammenhängenden Heilungsprozesse schreibe, so ist das für mich heute viel wichtiger, als "nur" über Kindesmissbrauch und KindesverGEWALTigung zu schreiben.
Der Missbrauch prägte mich - ließ mich anfangs kaum überleben, doch meine Wunden heilten und heilen und mit dieser Heilung entstand und entsteht mein neu gewonnenes Verständnis zu leben.

Das Reden
Mein wichtigster Heilungsprozess begann über verschiedene Plattformen im Internet. Ich lernte andere Betroffene, am Thema interessierte Angehörige und auch Psychotherapeuten kennen. Bis heute ist es dabei für mich am wichtigsten, mit anderen Betroffenen ins Gespräch zu kommen und somit einen Erfahrungsaustausch über den Umgang mit Folgeerscheinungen stattfinden zu lassen. Ich begriff jedoch auch gleich am Anfang dieses Heilungsprozesses, dass Nichtbetroffene mich missverstanden oder gar nicht wahrnahmen, wie schlecht es mir ging. Die klare Benennung meiner inneren Qualen, des Gefühlschaos und die wiederkehrenden Erinnerungen ließen mich Stück für Stück erkennen, dass Nichtbetroffene meine Denk- und Handlungsweisen gar nicht verstehen konnten so lange ich schwieg. Also begann ich zu reden.

Ich sprach mein soziales Umfeld direkt an und beschrieb mich und meine zwei Welten, die aus dem äußeren Anschein und meiner inneren Leere und zugleich auch Qual bestanden. Es kostete mich viel Mut und Anstrengung, diese Art des Outens zu überstehen.
Redet, auch wenn ihr anfangs auf Unverständnis oder das allbekannte nicht-hören-wollen stoßt! Redet über eure Folgeerscheinungen, über Depressionen, Ängste, Schuldgefühle, eure Sichtweisen und auch über eure Machtlosigkeit als Kind und eure Hilflosigkeit als Erwachsene. Erwartet jedoch kein Mitleid oder verlangt ein ständiges über den Kopf streicheln - beides bringt euch meiner Meinung nach keinen Schritt weiter. Fordert und gebt die konstruktive Auseinandersetzung mit euch als Mensch in aller Konsequenz.

Die Therapien - Hypnotherapie & Gesprächspsychotherapie
Auch mir stellte sich irgendwann die Frage, ob ich meine Wege der Heilung allein bewältigen kann oder dazu psychotherapeutische Hilfe in Anspruch nehmen möchte. Ich kann heute sagen, dass mich die von mir ausgewählten Formen der Psychotherapie ein großes Stück auf meinem Heilungsweg weitergebracht haben.
Jedem, der psychotherapeutische Hilfe sucht, kann ich raten, sich dafür Zeit zu lassen und genau zu prüfen, wie das eigene Gefühl zum jeweiligen Therapeuten aussieht. Eine stabile Vertrauensbasis baut sich erst im Laufe der Zeit auf. Das intuitive Gefühl einem anderen Menschen gegenüber ist in der Regel jedoch gleich am Anfang da. Mir hat es geholfen, mich über die zuständige Psychotherapeutenkammer über die Tätigkeitsschwerpunkte einzelner Therapeuten und freier Therapieplätze zu informieren.

Bei meiner Hypnotherapie (nach Milton H. Erickson 1901-1980) konnten meine traumatischen Erfahrungen in der Trance durch Dissoziation (=Trennung, Spaltung) abgeschwächt werden. Andererseits wurden aber auch fehlende Erfahrungen bei der Bearbeitung von belastenden Erlebnissen assoziiert (= verknüpft). Die Therapeutin gab mir dabei keine feststehenden Lösungen vor, sondern löste in der Trance Suchprozesse nach eigenständigen Lösungen aus und besprach diese am Ende jeder Sitzung mit mir.

Während meiner Gesprächspsychotherapie (nach Carl Ransom Rogers 1902 - 1987) stand die Frage meiner Vorstellungen wie ich bin und wie ich gern sein möchte im Vordergrund. Nach der offenen und ehrlichen Klärung dieser Frage arbeitete ich gemeinsam mit meiner Therapeutin aktuelle Situationen heraus, in denen ich nicht so war wie ich eigentlich sein wollte, erarbeitete die Gründe dafür und passte nach und nach mein Verhalten dem Wunsch an, wie ich gern sein wollte.
Das war nicht immer ein positives Verhalten - aber ich erkannte ziemlich schnell, dass ewiges Ja-sagen oder ein ständiger Rückzug nicht immer angemessen sind. Meine Beschwerden im Umgang mit mir selbst und meinem Umfeld wurden also indirekt über mein verändertes Verhalten zuerst gemildert und dann fast vollständig beseitigt.

Beide Therapien haben mir verinnerlicht und mich darin bestärkt, dass meine Ziele und Wünsche mit "Ich will" beginnen, denn ich darf wollen!

Der Umgang - kreative Problemlösungsprozesse
Allen kreativen Problemlösungsprozessen liegende folgende Dinge zugrunde:
--> Probleme wahrnehmen --> Probleme benennen und Ziele entwickeln --> Annahmen machen und überprüfen --> Lösungsalternativen entwickeln --> kreative Problemlösungsfindung --> für Lösungsalternativen entscheiden --> Lösungsalternativen in die Tat umsetzen --> Problemlösung kontrollieren
Die kreative Problemlösungsfindung gestaltete sich bei mir so, dass ich mich für meine Stärken entschied, diese herausarbeitete und so die Lösungsalternativen Poesie und Literatur als auch Malerei meinen Zwängen und meiner inneren Qual entgegensetzte.

Am Anfang lagen leere Blätter vor mir und ich versuchte krampfhaft alles zu malen. Dies misslang gründlich.
Erst als ich mir gestattete ich selbst zu sein und malen zu dürfen wie es mir gefällt, kam ich zu Ergebnissen, die mich erschreckten, mich erstaunten, mir neue Anhaltspunkte gaben und auch heilsam waren. Meine Bilder veränderten sich selbst und auch mich. Von Grauschattierungen ausgehend kamen Farben und durch die Auseinandersetzung mit ihnen bekam auch mein Denken wieder alte Farben zurück und neue Farben kamen hinzu.

Ich habe lange gebraucht, um meine Gedanken in die für mich richtigen Worte fassen zu können. Anfangs distanzierte ich mich über das Schreiben von meinen Erlebnissen und Gefühlen, so als gehöre alles nicht zu mir und als ob ich ein außenstehender Betrachter wäre.. Heute ist das Geschriebene Ausdruck meiner Empfindungen.